Der Sprung aus dem “Chickentrain”
Definitiv an jeder Milchkanne hat unser Zug – war er endlich mal in Fahrt – gehalten. Die Geschichte nimmt ihre Anfänge in Cha Am, wo spontane Reisepläne uns ein bisschen gen Norden nach Kanchanaburi zur Brücke am River Kwai führen sollten. Das Private Taxi schlugen wir “wissend” aus, wollten wir doch wieder ins ursprüngliche Thailand eintauchen… Gesagt – getan…
Auf zur Train Station, das Ticket gerade noch rechtzeitig gekauft, hieß es schon in den fast abfahrenden und gänzlich überfüllten Zug zu hüpfen. Und ja, Zugfahren in Thailand ist etwas ganz, ganz spezielles…
Wer Berührungsängste hat und zusätzlich noch an Platzangst leidet, sollte die thailändischen Züge tunlichst meiden, denn von Beidem gibt es mehr als genug. Ständig wird man von allen Seiten angerempelt, mit den verdreckten und verstaubten Ventilatoren an der Decke wird frische “Luft” verteilt und Platz zum Stehen wünscht man sich sehnlichst herbei. Unser Fortbewegungsmittel hatte auch schon bessere Zeiten gesehen – vermutlich Ende des letzten Jahrhunderts . Von der viel gerühmten Ästhetik der Thais war in diesem Zug wirklich nichts zu sehen – Spinnweben an der Decke, Schmutz am Boden, Müll unter jeder Sitzbank, aber wie gesagt – andere Länder, andere Sitten!
Noch von den ersten Eindrücken übermannt, gerade mal fünf Minuten am Weg, hält der Zug ohne erkenntlichen Grund einfach an. Nach kurzer allgemeiner Verwirrtheit steigt die Mehrheit der thailändischen Reisenden aus dem Zug, oder hängt sich seitlich aus den Fenstern, um nahe am Geschehen zu sein. Das Geschehen bleibt uns Reisenden mangels Sprachkenntnissen leider verborgen, schlußendlich informiert ein bewaffneter Schaffner über 30 Minuten Wartezeit. Warten…, wieso, warum, worauf? Keine Ahnung. Eine geschlagene halbe Stunde später erscheinen mehrere Polizeibeamte und inspizieren die Zugstrecke. Kurz darauf kommt das Signal für die Weiterfahrt – keine Ahnung was passiert oder nicht passiert war…
30 Minuten und eine Milchkannenhaltestelle später, ein neuerlicher Stopp und die Mitteilung, dass wohl der Motor einen Schaden hätte und dieser getauscht oder repariert werden müsste…. OMB (Oh My Buddha)
Zwischenzeitlich konnten wir uns mit dem thailändischen Bordservice vertraut machen, gingen doch alle 2 Minuten von links UND rechts Damen und Herren mit allen erdenklichen Essenskram in riesigen Kübeln und Behältnissen durch den doch etwas engen Zug. Farang, Pepsi, Früchte, Nudeln, Kuchen, Nam-Nam,… Alles was das Thai-Herz begehrt. Dubioserweise ist das Bordservice ein klein wenig abweichend von dem der Europäer. Nudeln werden in Zeitungspapier und Plastikfolie gewickelt serviert, Cola gibt es als Flüssigkeit mit Eis durchdrungen in Plastiktüten inklusive Strohhalm, … Und das verwirrendste an der Sache, hat man fertig gegessen oder mag man das Plastiksackerlgetränk nicht mehr, einfach das ganze Paket aus dem Fenster halten und schwupps ist es auch schon weggeschmissen… Richtig gehört: Mistkübel gibt es im ganzen Zug keinen einzigen – es reicht, den Müll einfach bei Fahrtwind aus dem Fenster zu werfen… Und sie schmeißen wirklich alles aus dem Zug: Plastiksackerl, Essensstäbchen, Getränkeflaschen, Kuchenverpackungen, … Der Dschungel an den Zuggleisen muß demnach wohl ökologisch tot sein!
Noch immer erschrocken vom Mülltrennungssystem hält der Zug gefühlte 180 Minuten später wegen eines neuen Problems – diesmal leichter lösbar – eine Herde thailändischer Rinder hatte sich aufs Zuggleis verirrt… Aussteigen, vertreiben, weiterfahren…
Die kommenden Stunden, laut Ticket hätten wir in 2 Stunden am Ziel sein sollen, dehnen sich immer weiter in Richtung vier Stunden. Die Zeit vertreiben wir uns mit der herrlichen Landschaft, die gemächlich an uns vorbeischlendert und mit den Ausweichmanövern, um nicht ständig Haut an Haut mit Essenverkäufern und anderen Reisenden zu sein…
Endlich, wir scheinen am Ziel zu sein, unser Umstiegsort steht auf der Tafel – Rucksäcke vom oberen Gepäcksträger gezerrt und raus aus dem Zug – leichter gesagt als getan…
Unser Zug machte in jeder noch so kleinen Ortschaft mindestens 5 Minuten Halt, nur in Nong Pladuk, da wo wir aussteigen mussten, wollte der Zug keine Pause einlegen. Wir hatten also keine andere Wahl: Vollbepackt mit Tramperrucksack und Handgepäck plus Fototasche verlassen wir springend den davonrasenden Zug, sehr zum Ärgernis der am Bahnhof verweilenden Thailänder. Nach einer kurzen Zeit der Belehrung von einer etwas besorgten Dame in Thai versuchten wir uns mehr schlecht als recht zu verständigen. Wollten wir doch ursprünglich nach Kanchanaburi, aufgrund der Reisegeschwindigkeit unseres Zuges hatten wir jedoch den Anschlußzug verpasst – no time, to train waren die einzigen Wörter, die man uns auf Englisch mitteilen konnte. Thailand wäre aber nicht Thailand, hätte man nicht sofort eine Lösung für unser Problem parat gehabt. Freundliche Herren boten sich an, uns zur nächstgelegenen Busstation in Ban Pong zu fahren. Unser erster Gedanke: Juhuu, endlich ein Taxi, laßt uns doch gleich mit dem Taxi nach Kanchanaburi fahren. Aber was dann kam, schlug selbst unsere kühnsten Gedanken in die Flucht. Zuerst dachte ich noch, es wäre ein Scherz. Aber nein, der nette Herr am Moped meinte es richtig ernst – er gab uns mit Händen und Füssen zu verstehen, dass jeweils zwei von uns auf ein Moped sollten.
Also: 2 Touristen, 2 70L Tramperrucksäcke, 1 große Fototasche, 1 riesen Badetasche und 1 Damentäschchen – das alles sollte hinter dem Fahrer auf dem Moped Platz finden… Lange Rede, kurzer Sinn: es hat geklappt: wir düsen tatsächlich zu dritt inklusive Gepäck Richtung Busstation los. Die meiste Zeit der Fahrt hatte ich den Tod vor Augen: denn dem Mopedfahrer schien egal, welche “Last” er noch auf seinem Sitz hatte – der raste in Windeseile und sprang nicht nur einmal über die Gleise eines Bahnüberganges… Bei der Landung hörte man nur noch die Felge und ein Reifenplatzer wäre wohl das wahrscheinlichst der Welt gewesen… Es muß ein Bild für Götter gewesen sein, blieb doch allen am Strassenrand sitzenden Thailändern der Mund weit offen bei unserem Anblick!
Mit 100 Baht pro Person wurden wir an der Bushaltstelle mit einem freundlichen “Welcome to Thailand” abgesetzt und hatten wieder nur 1 Minute, um Tickets für den herrannahenden Bus zu kaufen. Stehend und beengt, allerdings etwas sauberer, ging die Reise zum River Kwai eine gute Stunde munter weiter.
Aber, wie heißt das schöne Sprichwort von Johann Wolfgang von Goethe so schön:
Man reist ja nicht, um anzukommen,
sondern um zu reisen.Abschließend sei gesagt: Wir leben alle noch und sind um viele Erfahrungen und um eine besondere Geschichte zum Erzählen reicher…
Das Teuerste an unserer rund 350 km langen Reise war tatsächlich der Transport mit dem Moped: jeweils 100 Baht pro Person = 2,5 EURO.
Zug und Bus kosteten im Vergleich dazu für uns vier 294 Baht (73,5 Baht pro Person, ergibt umgerechnet 1,8 EURO pro Nase).